Foto: Johanna Lippke
Wer mit dem Zug (zum Beispiel aus Neumünster oder aus den Niederlanden?!) nach Elmshorn zum Konzert gereist war, hatte möglicherweise schon den Rhythmus der Band in den Gliedern, die am
Samstagabend in der Nikolaikirche aufspielte.
Wobei zu bezweifeln ist, ob die Nordbahn diesen amerikanischen Drive spüren lässt, denn dieser stammt aus der Zeit der Dampfzüge, der dieselbetriebenen Überlandzüge, in denen man das regelmäßige Stampfen und Tuckern über Millionen von Bahnschwellen spüren konnte.
Die irische Band I DRAW SLOW hat diesen Rhythmus tief inhaliert, sie scheint dem amerikanischen Country-Sound stärker verfallen, als den etwas feineren Rhythmen der irischen Heimat.
Aus Dublin also kamen sie geflogen – für das einzige Konzert in Deutschland, ausgerechnet nach Elmshorn. Was für ein Glück für alle Gäste, die, mal wieder, die Nikolaikirche bis in den letzten Winkel ausfüllten. Die Kirche selbst, bis in den letzten Winkel ausgemalt aber nicht durchgeheizt, hat solch irisch-amerikanische Klänge bisher wohl kaum gehört.
Die Besucher sicher schon als geübte Lottes-Musiknacht-Hörer – ihnen wurde bald eingeheizt mit flotter Musik voller Drive und gleichzeitig mit erzählenden Geschichten, gefühlvoll gesungen von der Dame im Gruppenbild, Louise Holden.
Ihre warme Altstimme war eingebettet in das feine akustische Geflecht, das die Musikerherren um sie flochten.
Wie ein gut gedrehtes Seil spannte sich da der Sound zwischen den hohen Fingerpickingtönen vom Banjo (Colin Derham) hin zum tiefen Schwingen des rotbraunen Kontrabasses (Konrad Liddy). Musikalisch vervollständigt durch die virtuos gezupfte und geschlagene Gitarre des Dave Holden und dem vielfältigen Geigenspiel von Adrian Hart entstand ein voller Klang mit großer Weite aber, vor allen in den stilleren Balladen, auch gefüllt mit der Intimität eines kleinen Raumes, in dem eine Geschichte erzählt wird.
Und damit ist man beim Gesang der Band. Dieser ist charakteristisch, ein Harmoniegesang, der vor allem durch die beiden Geschwister Holden „gezaubert“ wird. So innig und verbunden, so ineinander verschlungen und zugleich eigenwillig, tanzt der Gesang über das gespannte musikalische Seil, dass es eine Freude ist.
Manchmal fragt man sich verwundert: wer singt denn da – er oder sie? Sie oder er? – um im nächsten Moment weiter zu hören, wie sich beide Stimmen vereinen und ihre Geschichten
fabulieren.
Die musikalische Reise, die uns die fünf Dubliner da präsentierten war bestes „singing songwriting“, was natürlich umgekehrt Sinn macht: erst wird geschrieben, dann gesungen, also: „songwrited
singing“.
Wir wurden entführt in irische Pubs, in denen tragische Liebesgeschichten singend erzählt werden; in den langen amerikanischen Zug, der von der Ostküste durch Maryland, Virginia und Kentucky westwärts nach Nashville rattert – hier bleibt viel Zeit zum Erzählen skurriler Stories oder einfacher Alltagsbegebenheiten, die dann jenen unverkennbaren Rhythmus der Countrymusik als Untermalung bekommen, der von Unterwegssein erzählt.
Ein irisch gewürzter Nashville-Sound ist an diesem Abend in Elmshorn angekommen – aus der berühmten „Music-City“, überbracht von fünf faszinierenden Musikern aus Irland. Ach ja, dies sei noch
erwähnt: es war eine kleine Reparatur am Zug notwendig – „technische Störung“..., aber das kennt man ja als Bahnfahrer. Abwarten, Kopfhörer auf (oder eben ins Konzert gehen) und dann umso
freudiger tolle Musik hören!
Wenn das so weiter geht mit den „legendären Konzerten“ als Lottes Musiknacht, dann wird Elmshorn die „Musik-City“ von Schleswig-Holstein.
Billy und Molly auf der Kanzel der Nikolaikirche werden das wach beobachten und dann bei der Werbeagentur von „supernormal“ als Alternativvorschlag einbringen!
© Jörgen Habedank
Fotos: Johanna Lippke
Skizzen: Jörgen Hadedank http://www.farbige-kunst.de/